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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Herzstich oder Kiemenschnitt?



rudi
28.04.12, 23:51
Hallo,
wie töte ich einen Fisch nach neuestem Stand der Erkenntnis?
Betäubung ist klar, aber dann?
Wie in herkömmlichen Büchern und Prüfungen gefordert mit Herzstich? Wobei es bewiesen ist, und ich es selbst gesehen habe, das das Herz noch Minuten danach schlägt!
Gibt es da neue Erkenntnisse?

Ein bayerisches Ehepaar brachte eine neue (für mich) Variante ins Spiel!
Kiemenbogenschnitt!
Das Messer: Sichelförmig
Der Form des Mondes angepasst, Halbmond zunehmend, der Schnitt erfolgt im Kiemenbogen!
Vorteile: Rasches Ausbluten des Fisches, schneller Blutverlust, kürzeres Leiden, weißes Fleisch!
Folge: Besserer Geschmack

Es soll keiner mehr als nötig leiden!
Meine Meinung.

Geschmack zweitrangig!
Erfahrungen gefragt!!!
Rudi

Thorsten
29.04.12, 08:24
Hallo Rudi,

also ich mache nur den Kiemenschnitt. Herzstich ist mir zu unsicher.
Das Herz ist so klein, und der Muskel so flexibel, dass es recht schwer ist das Herz sicher zu treffen und zu durchtrennen.
Es kann sich bei der Druckeinwirkung des Messers ja auch etwas verschieben, so dass es selbst bei einem guten Ansatz zum Herzstich am Ende nur gestreift wird.

Der Kiemenschnitt funktioniert dagegen sehr gut.

Klausi
29.04.12, 21:20
Generell Kiemenschnitt.
Garantiertes Ausbluten und besseres Fleisch.

Georg
29.04.12, 21:46
Ausprobiert habe ich beide Methoden, ich bevorzuge den Herzstich, mit einer spitzen Klinge, z.B. ein Filetiermesser, zwischen den Brustflossen angesetzt, schräg nach cranial, sollte nicht sofort Blut austreten, kann man noch in Richtung Kiemen weiterschneiden.

Vorteile: Rasches Ausbluten des Fisches, schneller Blutverlust, kürzeres Leiden, weißes Fleisch!
(...)
Es soll keiner mehr als nötig leiden!
So sehe ich das auch.
Der Kiemenschnitt bringt kein schnelleren Exitus, im Gegenteil, nicht umsonst ist das Schächten so umstritten.

Wobei es bewiesen ist, und ich es selbst gesehen habe, das das Herz noch Minuten danach schlägt!
Und die Herzkontraktion hällt beim Ausbluten per Kiemenschnitt noch länger an als bei der direkten Zerstörung des Muskels durch Zerschneiden/Zerstechen, bei dem der Fisch ebenso ausblutet.

Einen Qualitätsunterschied des Filets habe ich übrigens nicht feststellen können, Fische vom Berufsfischer werden weder gestochen noch geschnitten und das Fleisch sieht auch nicht schlechter aus.

Mattes
29.04.12, 22:12
Meine Meinung geht mir der von Georg konform.

Setze den Herzstich, seit ich angel. Beobachte beim Stich den Blutfluss. Kommt keiner, steche ich ein weiteres Mal zu. Da das Tier betäubt ist, dürfte ihm der zweite Stich soviel berühren, wie der erste. Habe selten einen dritten Anlauf benötigt.

Zu geschmacklichen Unterschieden kann ich wenig sagen, da ich nur die eine Methode anwende. Denke aber, dass das Habitat und der Drillstress ebenso Faktoren sein können, die sich auf den Geschmack auswirken.

Meine Zunge ist wohl auch zu banal rezeptorengesteuert, um einen Unterschied wahr zu nehmen.

Schwieriger ist es wohl bei einem sich windendem Aal. Da habe ich bis heute Probleme, wenn mal ein Tier untersucht werden muss.

Toni
30.04.12, 10:51
Ich führe seit Jahren nur noch den Kiemenschnitt (natürlich nach betäuben) aus. Wir lehren auch nur noch den Kiemenschnitt. Herzstich ist vorbei.

Das Herz schlägt nach dem Kiemenschnitt natürlich noch etwas weiter, aber entscheidend ist ja auch beim Fisch, dass die Blutversorgung zum Gehirn unterbrochen wird. Ich sehe zwischen einem Kiemenschnitt und einem sauberen Herzstich keinen echten Unterschied.

Aber den Knackpunkt hat ja Rudi schon beschrieben. Herz muß man erstmal treffen und gerade ein Anfänger oder jemand der nur alle paar Jahre mal angelt wird sich da schwer tun. Kiemenschnitt ist halt Idiotensicher.

Also KISS

Steini (verstorben am 06.09.2019)
30.04.12, 13:35
Einen Qualitätsunterschied des Filets habe ich übrigens nicht feststellen können, Fische vom Berufsfischer werden weder gestochen noch geschnitten und das Fleisch sieht auch nicht schlechter aus.

Das ist so nicht ganz richtig.
Viele Fischer kehlen ihre Fische.
Dorschartige, Steinbeißer aus der Langleinenfischerei z.B, soll auch beim Thun sehr wichtig sein, möglichst einen ausgebluteten Fisch zu haben.
Ob aber ein so oft teuerer Fisch für den deutschen Markt bestimmt ist, denke Ich nicht.
Hier soll es billig sein, gequetschter Alsaka-Seelachs aus der Schleppnetzfischerei eben.

@ Aber wir haben da ja einen Fachmann, der das sicher genauer kennt.

Ich halte das so oder so, mache aber immer auch einen Herzstich um keinen Streit zu bekommen.
Beim Hecht fließt auch viel Blut ab, wenn er zusätzlich durch die Seitenlinie/Wirbelsäule am Schwanz gestochen wird.
Beim Aal, steche ich durch Herz und Wirbelsäule.
Besser ist sicherlich den Aal einschließlich des Herzens auszunehmen, aber auch dann wird er oft erst ruhig wenn die Wirbelsäule durchtrennt ist.
(ist klar, vorher wird der Fisch natürlich betäubt)

Thomas
30.04.12, 14:29
Sehe ich auch so.

Der Qualitätsunterschied mit/ohne Kiemenschnitt ist klar erkennbar, nur 'mit' gibt es nach dem Verarbeiten richtig weißes Filet, ansonsten bleiben immer Rückstände in Blutgefäßen.
Klar, an denen kann man sich stören, muss man aber nicht.

Für Barsche und Dorsche gibt es Methoden, die wesentlich besser als die vorgenannten sind.

Barsch: Finger in's Maul stecken, kräftig nach dorsal drücken, bis es zweimal vernehmlich knackt (der sichere Rückgratbruch). Habe ich auch schon mal in einem Kaufhaus gesehen, die lebende Spiegler gehandelt haben.
Das dürfte bei etlichen Fischarten funktionieren, da gibt es nicht einmal mehr finale Muskelkontraktionen.

Dorsche: mit einem Knüppel kräftig auf den Endausläufer des Mauls schlagen. Dann läuft ein Zucken nach hinten bis zur Schwanzspitze und der Fisch ist sicher tot.
Schätze mal, dass da ziemlich frontal ein Nervenplexus liegt, der diesen On/Off-Schalter hergibt. Habe zumindest nicht schlecht gestaunt, als mir diese Methode mal von einem Angelkumpel auf einem Kutter vorgeführt wurde.

Beide Methoden sind allemal besser, als das Herz zu verfehlen oder über den alleinigen Kiemenschnitt den Eintritt des Todes noch zu verzögern. Georg hat ja berechtigt auf das Schächten und dessen schlechten Ruf hingewiesen.

Kiemenschnitte habe ich persönlich bisher auch nur bei Meeresfischen durchgeführt, bei Süßwasserfischen noch nicht.

Thorsten
30.04.12, 17:07
Beim Schächten ist das Schaf aber nicht betäubt, der Fisch dagegen schon. Daher sehe ich für den Fisch keinen Unterschied zwischen dem Kiemenschnitt und dem Herzstich. (wenn beide korrekt ausgeführt wurden)

Albert
30.04.12, 18:40
Man sollte nicht die Hochsee- oder Küstenfischer als Beispiel nehmen.
Hering, Scholle, Thun und Rotbarsch ersticken, egal ob mit Langleine oder Netz gefangen.


Dorsche: mit einem Knüppel kräftig auf den Endausläufer des Mauls schlagen. Dann läuft ein Zucken nach hinten bis zur Schwanzspitze und der Fisch ist sicher tot.
Schätze mal, dass da ziemlich frontal ein Nervenplexus liegt, der diesen On/Off-Schalter hergibt. Habe zumindest nicht schlecht gestaunt, als mir diese Methode mal von einem Angelkumpel auf einem Kutter vorgeführt wurde.


Betäubt ohne wieder zu erwachen. Die Norweger-Fischer machen das vorzugsweise. Und der Kehlschnitt sofort darauf.

Bei dem Ausbluten und der Qualität des Fleisches ist es so, das die Versorgungsflüssigkeit Blut nur bei drücken des Fischkörpers in die Filets gelangt. Blutige Stellen im Filet, zum Beispiel beim Thun mit der Ringwade gefangen, ergibt dunkelrotes Fleisch und geht in die Konservenindustrie. Auf den Malediven habe ich von heimischen Fischern gefangenen Thun verspeist und das Fleisch war hell und 1A in der Qualität. Nur, es wurden die blanken Haken ohne Widerhaken in den Schwarm geworfen und die Fische verendeten im Boot. Kein Messer beendete das letzte Stück Leben.

Wichtiger ist die Lymphflüssigkeit, welche Zellabbauprodukte in die Venen führen, welche danach von den inneren Organen gefiltert werden. Deshalb sollte man auch vor der Schwanzflosse einen Stich machen.

Thomas
30.04.12, 20:27
Betäubt ohne wieder zu erwachen. Die Norweger-Fischer machen das vorzugsweise. Und der Kehlschnitt sofort darauf.



Das, der Schlag auf die frontale Schnauzenspitze, ist bereits der physiologische Tod, Albert.

Der Kehlschnitt dient allenfalls nur noch der passiven Ausreinigung peripherer Blutgefäße, mehr nicht.

Gangfisch
30.04.12, 22:31
Hallo Zusammen,

denke auch man sollte hier je nach Fischart unterschiedlich verfahren.

Die von Thomas erwähnte Methode beim Barsch ist hier am Bodensee seit Jahrzehnten im Einsatz. Man sollte sich die Geschichte aber von jemanden erklären lassen der sich damit auskennt! Ansonsten neigen Anfänger dazu den Kopf fast abzureissen, ohne das Genick zu brechen!?!?!?

Beim Aal durchtrenne ich die Wirbelsäule auf Höhe des Herzens durch einen Stich mit dem Messer. Hier sollte auch gleich Blut kommen, danach machen die Tiere keinen Mucks mehr.

Bei Felchen/Renken reicht wahrscheinlich ein Schlag auf den Kopf, da die Fische sehr empfindlich sind.

Allerdings sollte man bei diesem Thema unbedingt auch einen Blick in die entsprechenden Verordnungen werfen! Fische sind Wirbeltiere und damit in Deutschland in der Tierschutzschlachtverordnung berücksichtigt. Außerdem gibt es zum Teil eindeutige Vorschriften in den Fischereiverordnungen. Am Bodensee/Untersee verlangen die Schweizer Behörden seit ca. 2 Jahren z.B. auch bei den Felchen zwingend den Kiemenschnitt, nach vorheriger Betäubung!

Im Vorbereitungskurs zum Sachkundenachweis in BaWü wird das fach- und tierschutzgerechte Töten der Tiere im Rahmen von "Behandlung gefangener Fische - Versorgen und Verwerten" gezeigt und beigebracht. Zusätzliche sollte bei den ersten Fischen aus meiner Sicht ein erfahrener Angler den Anfängern zur Seite stehen um sicherzustellen, dass die Tiere nicht leiden und möglichst schnell und waidgerecht getötet werden.

Georg
30.04.12, 23:08
Ein interessantes Thema, bei dem sich die Geister scheiden, aber auch reichlich Diskusionsmaterial entsteht, wenn man sich die Sache auf der Zunge zergehen lässt. Ich bin mal so frei ... :grins:


... aber entscheidend ist ja auch beim Fisch, dass die Blutversorgung zum Gehirn unterbrochen wird.
Dafür müsstest Du primär aber die arterielle Versorgungslinie des Hirns nahe der Wirbelsäule durchtrennen, nicht die für den Gasaustausch benötigten Kiemenvenen und -arterien, die sind dabei zweitrangig. Klar, wenn kein Blut mehr vorhanden ist, wird auch das Hirn nicht mehr versorgt, aber das dauert auch seine Zeit.
Die Durchtrennung der Wirbelsäule und damit der Nervenbahnen wie es Thomas beschrieben hat, bedeutet einen deutlich schnelleren Exitus, da die gesamte "Steuerungsfunktion", auch die des Herzens, "außer Betrieb" genommen wird.



Der Qualitätsunterschied mit/ohne Kiemenschnitt ist klar erkennbar, nur 'mit' gibt es nach dem Verarbeiten richtig weißes Filet, ansonsten bleiben immer Rückstände in Blutgefäßen.
Treiben wir es mal auf die Spitze Thomas, wird ein Fisch "nur" abgeschlagen, bleibt das Blut im Gefäßsystem zurück. Will ich aber ein absolut makelloses Fleisch, müsste ich den Fisch nach dem Kiemenschnitt oder dem Herzstich an der Schwanzwurzel aufhängen, damit das Blut der Schwerkraft folgend, ablaufen kann bevor die Gerinnung einsetzt, Hypostasebedingt (http://de.wikipedia.org/wiki/Leichenfleck) würden sich sonst Blut und Lymphe an der tiefsten Stelle ansammeln, da Fische üblicherweise auf einer Seite liegen bleiben, würde ein Filet, nämlich das unten liegende, immer schlechterer Qualität sein.


Man sollte nicht die Hochsee- oder Küstenfischer als Beispiel nehmen.
Hering, Scholle, Thun und Rotbarsch ersticken, egal ob mit Langleine oder Netz gefangen.
(...)
Bei dem Ausbluten und der Qualität des Fleisches ist es so, das die Versorgungsflüssigkeit Blut nur bei drücken des Fischkörpers in die Filets gelangt.
Richtig Albert, Netzfänge kommen meist ja schon tot an Bord, werden auch kräftig gequetscht.

Nehmen wir mal unsere Binnenfischer als Beispiel, die wenigsten schlagen die Fische ab oder führen einen Stich oder Schnitt durch, macht ja unnötig Arbeit, die Fische ersticken in der Regel einfach an Bord, in kleinen Teichwirtschaften sieht es schon anders aus, dort gibt es teilweise professionelle Tötungsstraßen, zumindest in meiner Ecke.

Zu Deinem zweiten Teil, Hämatome durch übermäßigen Druck auf die Kapillargefäße können ein Filet wirklich versauen, viel wichtiger als die Methode des Ausblutens zur Qualitätserhaltung des Fleisches, ist meiner Meinung nach das Handling und die Einhaltung der Kühlkette, ich selbst habe immer eine mit Eisakkus gefüllte Kühltasche im Auto, bis dahin nutze ich die Verdunstungskälte per Tuch und Wasser wenn ich zu Fuß unterwegs bin, beim Ansitz steht die Kühltasche schon wegen der Kalibrierlösung neben mir.