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Steini (verstorben am 06.09.2019)
05.07.13, 20:39
Sind gebietsfremde Stämme wirklich immer grundsätzlich abzulehnen, weil sie die dort vorkommenden im Bestand gefährden ?

Vielen Bewohnern vom Ländle D ist nicht einmal klar, das das Freisetzen von Fremdarten ein enormes Risiko darstellt und wohl eine Straftat ist.
Bedeutet, wer es macht und erwischt wird, könnte wohl auch gezwungen werden die Kosten zu tragen.....theoretisch wenigstens.:lachen:
Trotzdem sollte so etwas jedem klar sein, der etwas mit Bewirtschaftung eines Gewässers zu tun hat.

Schwerer wird es schon, wenn man entscheiden darf was nun gut für ein Gewässer ist.
Sollte man nun Karpfen, Zander, Wels oder Regenbogenforellen besetzen, wenn es nicht gesetzlich verboten ist?
Besonders wenn man das Wissen hat, das es sich um eingebürgerte ehemalige Fremdarten handelt ?

Noch viel weniger wird bei Besatz darauf geachtet, wo die Fische der gewünschten Art herstammen.
Ich denke nicht viele Gewässerwarte werden sich informieren, ob die Bedingungen des Herkunftsgewässers in etwa denen des Zielgewässers entsprechen.
Vielleicht sollte man sich da mal Gedanken machen....aber das geht zu weit.

Bei Salmoniden wird von einigen darauf geachtet, das auch der richtige "Heimische" Stamm besetzt wird.
(Das ist z.B wichtig, weil Laichzeiten oder Wanderverhalten passen müssen)
Aber mal im Ernst, wer macht das schon beim Hecht, Schlei.....

Möglichweise wird der Besatz oft viel zu leicht genommen.
Vielen geht es gar darum, bei der Jahres H.V große Besatzzahlen zu präsentieren.
Oft ohne, das immer ein anderer Sinn dahinter steht, als ruhig durch die Versammlung zu kommen.

So das mal als Einleitung und zur Abschreckung von Lesern,
die lediglich Begründungen suchen gebietsfremde Tiere zu besetzen.:lachen:

Ich bin teilweise ein ekeliger Querdenker, mal sehen was Ihr denkt.

Es ist klar, man kann einem geschwächten heimischen Bestand, durch Besatz noch weiter schwächen, möglicherweise auch den Rest geben.
Aber ist das wirklich immer so ?

Ich habe in einem anderen Thema etwas zu den Quappen bei uns geschrieben.
Da ist etwas, was mich sehr nachdenklich stimmt und mich zum Umdenken drängt.

Fakten:
Der See hat einen Ablauf, der aber einen Absturz von etwa 3cm - 5cm aufweist.
Der Ablauf des Sees entwässert über einen Graben und 2 weiteren Hindernissen zur Wümme.
In der Wümme gab es immer einige Quappen, angeblich ursprünglich auch mal im Baggersee.(wohl vor dem Einbau der Schwellen)
Im See und dem Grabensystem gab es nun seit Jahrzehnten keine Quappen mehr.

Die vorkommenden Quappen waren Flußfische.
Die besetzten waren gebietsfremde Wildfang-Quappen die einen See bewohnten und im See laichen.
Solch ein Stamm ist bei uns im Gebiet wohl nicht vorhanden gewesen, möglichweise unterscheiden sich die äußerlich gleichenden Tiere einer Art, lediglich durch kleinste Abweichungen der Eier.
Sinkend und klebend bei Flussfischen, möglicherweise schwebend auf 4°C bei dem Seen Typ.

Tja, einige Km weiter in der Wümme werden seit dem Besatz wohl mehr Quappen gefangen.
Einige Angler erzählten mir das wenigstens.
Schon einige Monate nach dem Besatz sah ich eine gut gewachsene Quappe im Auslauf des Sees, etwa einen Km vom Besatzort.
Früher gab es sie dort nie.
Dieses Jahr habe ich nun Quappen im gesamten See und Auslauf gefunden.
Die Einbürgerung im See selbst ist gelungen, das ist sicher.
Die Jungtiere findet man dort auf Ansage, Einzeltiere sind es nicht .

Sicher ist aber auch, das nun von dort ausgehend weitere Gebiete besiedelt werden.
Ein Zurück geht nicht, aber trotzdem möchte ich es durchaus kritisch betrachten.

Beide Quappen-Typen werden wohl aufeinander treffen.
Problematisch, weil der ursprüngliche Typ wohl Konkurrenz erhält.
Problematisch, weil ein vermischen der Stämme zu Problemen beim Laicherfolg vermischter Anpassungen führen könnte.

...oder anders, bei der Ei-Menge wird es dann immer solche und solche Eier geben.
Möglichweise könnte der Fremde Stamm sich dort aber auch gar nicht ausbreiten.
Möglicherweise, kommt es nicht einmal zum Vermischen.

Möglichweise aber, bringt der Fremde Stamm dem etablierten Stamm gar ganz neue Möglichkeiten, wenn Erbinformationen ausgetauscht werden.
Über wenige Generationen , könnten ja auch See-Typen mit den optimalen örtlichen Anpassungen, plötzlich weitere angeschlossene Stillgewässer besiedeln.
Das also mal meine Gedanken.

Das bedeutet aber auch, das eine gezielte Wahl eines gebietsfremden Stammes einen bedrohten örtlichen Stamm retten könnte.

Der örtliche Stamm wird in der Regel optimal angepasst sein.
Wenn der also bedroht ist, hat sich etwas verändert, dann ist er nicht ausreichend angepasst.
Diesem Rückgang will man oft mit Besatz aufhalten.

Teilweise schwächt man den verbleibenden Rest so noch weiter, also ist das falsch ?
Besser wäre es die Veränderung zu suchen und zu beseitigen, das wäre sicher der beste Weg.

Möglicherweise könnte man aber auch einen Stamm suchen der mit der Veränderung besser zurecht kommt.
Ein Vermischen mag ja zunächst Nachteile bringen, später könnten sich aber auch die Alten Erbanlagen durchsetzen + der nun nötigen Veränderung.
Eine größere Vielfalt der Erbinformationen gibt immer auch neue Möglichkeiten.

Sicher sind das keine Gedanken die so mal eben unkritisch betrachtet werden sollten.

Aber schlimmer wäre es doch, zunächst den ursprünglichen Stamm zu verlieren und dann erst Ersatz zu suchen.
Wenn der ursprüngliche Stamm weg ist, sind auch alle seine Anpassungen endgültig verloren.
Vermischt aber bleiben sie erhalten, möglicherweise versteckt aber vorhanden.

Na gut, das ist wohl nur Allen wichtig die Nachhaltigkeit suchen.
Der Witz ist nur, das genau die, die so oder so alles immer besetzen, genau die Linie Vielfalt fahren.
Die wissen zwar nicht was sie machen, aber sie schaffen halt auch so Tatsachen.
Plötzlich treten dann Arten wieder vermehrt auf oder halten sich nicht mehr und keiner weiß warum.

So wie eben nun möglicherweise die Quappen.:Flöt:

Jürgen W aus T
06.07.13, 17:55
Hi, wir machen uns schon Gedanken über das Thema, aber sind aber auch zum Teil wirtschaftliche Aspekte die mit den Artenschutz zusammengefügt wurde.

Wir haben einen Züchter - richtig Züchter - der Schleie, Hecht, Karpfen und Zander liefert. Der gute Mann kommt aus der Region
Wir besetzen BAFO Brut in den Bächen um die Art wieder richtig heimisch zu machen, einheimischer Stamm des Emsanliegers
Wir setzen jedes Jahr Farmaal über die Besatzgemeinschaft Ems, die Besatzgemeinschaft plant in Zukunft auch die Quappe mit aufzunehmen.
Weißfisch setzen wir um, von Teichen mit zuviel in Teiche mit zu wenig Weißfisch - sprich Eigenbesatz


Der Zugriff auf heimischer Züchter ist meist auch ökonomisch sinnvoll. Zumindest hier bei uns. 100 % Seuchenfrei, nicht Genmanipuliert, kurze Wege daher kaum Verlust beim Transport, dazu guter Preis


Gruß Jürgen

Günter
06.07.13, 19:50
Vielen Bewohnern vom Ländle D ist nicht einmal klar, das das Freisetzen von Fremdarten ein enormes Risiko darstellt und wohl eine Straftat ist.
Bedeutet, wer es macht und erwischt wird, könnte wohl auch gezwungen werden die Kosten zu tragen.....theoretisch wenigstens.:lachen:
Trotzdem sollte so etwas jedem klar sein, der etwas mit Bewirtschaftung eines Gewässers zu tun hat.


Die Existenz von Fremdarten in offenen Gewässern (Flüsse und Bäche) liegt zu 99% nicht an den Bewirtschaftern.
Als Beispiel kann ich die "Aisch" bei uns anführen. In der Aisch existieren seit Jahren Waller die kein Bewirtschafter eingesetzt hat, und eigentlich nichts in unserem kleinem Fluss zu suchen haben.
Diese Fische kommen mit den Zuläufen in den Fluss. Die Ursache sind die vielen Teichwirte hier in Franken, und da kommen viele Fremdarten die in den geschlossenen Teichwirtschaft gezogen werden und erlaubt sind, auch mal bei den Abfischen der Teiche in die Zuläufe.

Steini (verstorben am 06.09.2019)
07.07.13, 09:19
Die Existenz von Fremdarten in offenen Gewässern (Flüsse und Bäche) liegt zu 99% nicht an den Bewirtschaftern.
Als Beispiel kann ich die "Aisch" bei uns anführen. In der Aisch existieren seit Jahren Waller die kein Bewirtschafter eingesetzt hat, und eigentlich nichts in unserem kleinem Fluss zu suchen haben.
Diese Fische kommen mit den Zuläufen in den Fluss. Die Ursache sind die vielen Teichwirte hier in Franken, und da kommen viele Fremdarten die in den geschlossenen Teichwirtschaft gezogen werden und erlaubt sind, auch mal bei den Abfischen der Teiche in die Zuläufe.

(O.T war die Nacht an einem kleineren Verbindungsgraben 6m breit 0.8m tief.
Da staunt man schon wenn da plötzlich Welse vorbeischwimmen (1,4m und etwa 1,8m)
Scheint Ihnen mehr zuzusagen als der große Altarm oberhalb.
Aal war trotzdem ganz gut, und Weißfisch ist reichlich da.
Angler gehen da nicht hin, zu flach, zu viel Kraut =da können keine großen Fische sein.:lachen: )

Letzteres ist eben nicht erlaubt, eine Art von lebenden Abwasser.
Hätte man wohl anzeigen können.:heimtückisch:

Aber ich dachte an viel Harmloseres.
Da denke ich an Gartenpflanzen, Zierfische und Futterkulturen oder auch lebende Angelköder.
Ich denke weiter an Bio-Kulturen zum Schlammabbau und vieles mehr.

Günter
07.07.13, 12:09
Die Gewässergröße sowie die tiefe hat dabei nichts zu sagen, die Welse halten sich dort auf wo die Futterfische sind, also auch in seichten Gewässer.
Mein Gewässer das ich befische ist auch ein kleiner Fluss mit einer durchschnittsbreite von 6mtr und einer mittleren tiefe von 2,50mtr.. und dort sind auch schon Waller mit 2 mtr. gefangen worden !

Toni
11.07.13, 15:51
Deine Gedanken gehen wie gewohnt recht tief.

Grundsätzlich denke ich, muss man sich in der Diskussion erstmal klären ob man nun Arten haben will die "funktionieren" oder will man unbedingt die Heimischen (autochtonen?) Stämme/ Arten halten.

Derzeit ist ja der Besatz mit Autochtonen Stämmen groß in Mode, weil man wohl allgemein davon ausgeht, dass diese am besten ans Gewässer angepasst sind. Sind sie das wirklich, oder ändern sich unsere Gewässer vieleicht schneller als sich diese Stämme anpassen können? Da wäre der Weg der Vielfalt der bessere Weg.

Was macht man wenn einzelne Arten nicht mehr passen? Ist es besser die Nische ist unbesetzt oder sind eingebürgerte Arten besser?

Dein Beispiel mit den Quappen ist noch vergleichsweise simpel, vor allem da es ja die Grundbedingung hat, dass es wirklich zwei verschieden Anpassungsformen gibt, was ja wohl auch nur Theorie ist. Ich denke da vor allem an Renken, in jedem See mehrere Stämme, die auch Experten kaum auseinanderhalten können. Mit Vermischung durch Besatz seit wahrscheinlich Jahrhunderten..... Die Naturschutzbehörde fordert nun von uns quasi im Gegenzug für eine Abschußgenehmigung von Kormoranen, dass wir einen See nur noch autochton besetzen; eine Ahnung wie das gehen soll...........

Ich komm bei dem Thema immer nur auf laufend mehr Fragen..... Antworten fallen mir leider kaum ein.:hmm:

Klar muss uns sein, dass jedes Experiment hier höchst riskant ist, Beispiele dafür gibt's wohl dutzende.

Albert
12.07.13, 22:27
Ich hatte das mal so bei der Bachforelle formuliert:



Es bleibt als Fazit interessanterweise festzustellen, dass die Forschungen zur europäischen Forelle überwiegend auf Initiative der wissenschaftlichen Feldforschung durchgeführt worden sind.
Die Ergebnisse der Grundlagenforschung haben sich nicht speziell auf die Bereitstellung von Informationen in Bezug auf die Bewirtschaftung durch Angelvereine/Angelverbände und Fischzuchten auf den Erhalt genetischer Vielfalt ausgerichtet.


Trifft im Kern eigentlich auf etliche Fischarten zu. Ein Besatz kann zielführend sein wenn man sich vorher eingehend damit beschäftigt.
Auch der Gesetzgeber hat da in welcher Form auch immer immer klarere Vorgaben gesetzt.
Hat eine autochthone Forelle eine markanten weißen Punkt auf der Stirn ist alles nachprüfbar. So aber kann man nur mit materiellen Mitteln
eine Fischart untersuchen.
Nur mal ne Frage, wer beschäftigt sich denn mit dem Allerweltsfisch Flussbarsch? Nicht nur theoretisch kann man ihn in Boddengewässer fangen
und an der Donau aussetzen. Wer weiß schon, ob das ihm Probleme bereitet oder ob er sich schnell einlebt, sich blendend vermehrt und die Kleinfische
dezimiert. Evtl. noch größer wird als die heimischen Artgenossen und verdrängt?
Vielleicht ein abstraktes Beispiel. Man kann den Flussbarsch auch gegen den Wels austauschen. Augenscheinlich fühlt er sich überall wohl.

Wir wissen zu wenig um die Fischzönose in Gewässern und was sich unter Wasser abspielt, das bleibt uns verborgen.
Aber ist das nicht gerade das spannende daran?