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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Buchtipp: Werner H. Baur - Renaturierung kleiner Fließgewässer mit ökologischen Methoden



Toni
28.09.13, 20:25
Werner H. Baur - Renaturierung kleiner Fließgewässer mit ökologischen Methoden
– Anleitung zum konkreten Handeln

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1. Auflage; 2013
95 Seiten
10,90€ zzgl. Versand
LFV BW Verlag und Service GmbH (http://www.lfvbw.de/87.0.html)
ISBN 978-3-944691-00-8

Als ich erfuhr, dass der bekannte und meinerseits sehr geschätzte Autor ein neues Buch veröffentlicht hatte, war mein Interesse sofort geweckt. Da er sich diesmal auch noch mit einem Problem beschäftigt das seit Jahren an mir nagt steigt die Erwartung noch. Da freue ich mich, dass ich die Gelegenheit für eine Besprechung bekomme.

Im ersten Kapitel benennt der Autor die Hauptdefizite vieler kleiner Fließgewässer. An erster Stelle sieht er da das Temperaturproblem aufgrund mangelnder Beschattung. Dabei bezieht er sich nicht nur auf die absoluten Temperaturmaxima, sondern legt auch besonderes Augenmerk auf die Temperaturwechsel im Tagesverlauf. An zweiter Stelle beschreibt der Autor recht knapp die Strukturarmut der Gewässer als weiteres Grundproblem. Drittens behandelt er noch die Problematik der Gewässergüte, wo er zwar eine Verbesserung der Situation gegenüber der 60er bis 80er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts feststellt, gleichzeitig aber vor den noch lange nicht abschätzbaren Folgen von Mikroschadstoffen warnt.

Nach der Darstellung der Defizite, wird quasi als Appetithäppchen, das Potential von kleinen Fließgewässern in gutem ökologischem Zustand anhand der Ergebnisse zweier Elektrobefischungen dargestellt.

Im zweiten Absatz werden die für Verbesserungen relevanten Gesetze und Verordnungen aufgeführt. Hier finden sich auch Hinweise über die möglichen Zeitfenster für die Durchführung der Arbeiten.

Kapitel drei beschäftigt sich mit Negativbeispielen von Renaturierungsmaßnahmen. Der Autor geht hier mit bereits realisierten durchgeplanten Maßnahmen hart ins Gericht.

So zum Beispiel„..... In Umsetzung teurer Pläne werden meist „schön“ anzusehende Mäander in die Landschaft gelegt, die aber häufig den Einheitsbach zur Folgen haben, der so fast überall in Deutschland vorkommen könnte.....“ oder „ …. Ins Trapezprofil „renaturierter“ Bachlauf: nach der „Renaturierung“ individuen- und artenarmer als vorher, wegen fehlender Bepflanzung mit fast flächendeckend veralgtem Bachbett....“

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In der Konsequenz bietet der Autor als Alternative in Kapitel 4 den „ökologischen Ansatz: Veränderungsdynamik zu nutzen“ mit dem Ziel „...regional- und Standortypische, individuelle Gewässer zu schaffen...“ Soll heißen, statt gewisse Strukturen künstlich zu schaffen propagiert der Autor Initialmaßnahmen wie z.B. Störsteine anhand derer das Gewässer selbst wieder beginnt neue Strukturen zu schaffen. Neben einer gewaltigen Kosteneinsparung gegenüber herkömmlichen durchgeplanten Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung, soll das auch eine höhere Qualität der Maßnahmen garantieren.

Im Kapitel fünf, welches den größten Teil des Buches einnimmt beschreibt der Autor nun ganz konkret verschiedene Bauteile, wie z.B. Störsteine, Pfahlbuhnen oder Wurzelstöcke. Wie diese vernünftig eingebaut und welche Auswirkungen von der jeweiligen Anordnung der Elemente zu erwarten sind. Hier geht der Autor sehr ins Detail. Das geht von der richtigen Einbautiefe von Pfahlbuhnen bis zur kurzen Beschreibung der Wuchshöhe verschiedener Weidenarten zur Ufersicherung und Beschattung.

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Das sechste Kapitel „Gedanken zum Verfahren“ rundet das Thema unter anderem mit Hinweisen zur Projektsteuerung und der möglichen Finanzierung einer Renaturierungsmaßnahme ab.

Was kann man zusammenfassend dazu sagen? Vorbildlich ist auf jeden Fall der Systematische Aufbau des Buches. Am Anfang werden knapp die Defizite festgestellt, dann relativ detailliert Lösungen vorgestellt. Abgerundet mit Hinweisen zu rechtlichen Grundlagen, Finanzierungsmöglichkeiten usw.

Hier schreit eindeutig ein Praktiker für Praktiker. Kurz und prägnant ohne unnötiges Fachchinesisch. Somit ist das Buch auch für den wissenschaftlich weniger gebildeten Gewässerwart oder Planer lesenswert und hilfreich.

Natürlich wird der eine oder andere Leser zu einen jeweiligen Punkt gerne mehr erfahren. So ist für mich zum Beispiel nicht wirklich klar geworden welche Strömungsverhältnisse überhaupt nötig sind, dass die im Buch beschriebenen Maßnahmen, die „...die eigendynamische Entwicklungen fördern...“ überhaupt zielführend sind. Im Buch finde ich da nur:
„Folglich bezieht sich dieses Buch vornehmlich auf Bäche des Berg- und Hügellandes und auf Mittelgebirgsbäche, in denen lebensraumrehabilitierende Maßnahmen durch die Förderung der Eigendynamik möglich sind.“

An dieser Stelle würde ich mir etwas mehr Hilfe bei der Einschätzung wünschen ob Maßnahmen zur Förderung der Eigendynamik an einem bestimmten Gewässer überhaupt Sinn machen. Zumindest weiß ich aber nach der Lektüre des Buches nun, wo bezogen auf meine Gewässer evtl. ein Problem liegen könnte.

Im Großen und Ganzen ist dem Autor aus meiner Sicht aber der Spagat zwischen kompakter Darstellung im Sinne guter Lesbarkeit und allumfassender Abhandlung des Themas recht gut gelungen. Im Grunde sollte jeder, der sich mit der Gestaltung und dem Unterhalt von Fließgewässern beschäftigt das Buch zumindest einmal gelesen haben.

Danken möchte ich Herrn Dirk Bastian von Landesfischereiverband BW, der so freundlich war ein Exemplar des Buches zur Rezension zur Verfügung zu stellen.

Hier noch weitere Impressionen aus dem Buch die ebenfalls von Herrn Bastian zur Verfügung gestellt wurden.

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Mattes
28.09.13, 22:19
Hallo Toni,

da hat Herr Bastian aber einen würdigen Leser gefunden. Danke für diese feine Rezension.

Zumindest bei mir hat sich nun großes Interesse eingestellt (wie bei so vielen Büchern). Werde es wohl ordern müssen. :;:


Natürlich wird der eine oder andere Leser zu einen jeweiligen Punkt gerne mehr erfahren.

Möglicherweise liest Herr Baur deine Zeilen und steht dir Rede und Antwort.

Schnickes
29.09.13, 01:45
Ich komme zu einem ähnlichem Fazit. :grins:
http://gewässerwart.de/renaturierung-kleiner-fliessgewaesser-mit-oekologischen-methoden/

Albert
29.09.13, 11:25
Danke Schnickes und Toni für die Rezension.

Werde mir das Buch auch zulegen.

Zu den Störsteinen noch eine Anmerkung.
Anfang der 90ziger Jahre hab ich einen ersten Bericht aus der Schweiz gelesen und die
Vorteile für den Fluss wurden da alle genannt.
Leider haben aber Wasserbauingeneure bei Renaturierungen damit ein Problem.
Die Steine sind die Störer bei Hochwasserabflüssen. Denn einen anderen Weg darf sich ein Bach/Fluss
nicht suchen. Und die Steine würden bei Hochwasser dabei helfen, Uferabbrüche zu forcieren.

Toni
29.09.13, 16:39
Wer hat den da die Formatierung so nett aufgehübscht? Warst du das Mattes? :Bravo:

Jürgen W aus T
29.09.13, 18:28
und für das Norddeutsche Tiefland, ist dann wohl "Lebendige Flüsse und Bäche" ISBN: 3-89811-546-1 das Standard Werk.

Thorsten
01.10.13, 07:32
Toni,

danke für die spannende Rezension. Da mein Interesse am Amt als Gewässerwart vor Jahren maßgeblich durch die Literatur von Herrn Baur mit begründet wurde, werde ich mir auch ein Exemplar zum Smökern zulegen.

Thorsten
05.10.13, 21:27
Das Exemplar habe ich direkt nach meinem letzten Post bestellt, und heute lag es im Briefkasten, also super schneller Service des LFVBW, wenn man bedenkt, dass ein Feiertag dazwischen lag. Ich freue mich nun darauf zu schmökern.

Baur Werner
12.02.15, 12:55
Hallo liebe Gewässerwarte,

ganz herzlichen Dank für die zahlreichen Besprechungen meines neuesten Buches "Renaturierung kleiner Fließgewässer mit ökologischen Methoden". Besonderen Dank für die Vorschläge, womit sich das Buch auch befassen sollte, damit Sie vor Ort möglichst viele Hilfen bekommen. Ich habe alles gründlich analysiert, und in der zweiten Auflage werden sich die Autoren der Vorschläge wiederfinden. Schließlich bin ich herzlich dankbar dafür, wenn möglichst viele Rückmeldungen kommen, um das Buch zu verbessern, Ihnen möglichst viele Hilfen zu geben. Die Erfahrung der Praktiker, das ist das, was ein gutes Buch braucht.

Sie können mir auch gerne gleich direkt eine Mail schreiben: Baur.We@t-online.de

herzlichst Werner Baur :Bravo:

Albert
19.02.15, 20:33
Hallo Herr Baur,

schön, dass Sie sich gemeldet haben.
Es wäre auch schön wenn Sie hier Punkte aufzeigen, wo Sie Problematiken sehen und wir
Unsere individuelle Meinungen abgeben koennen.
Uebrigens sind wir überschaubarer Haufen im schreiben per Du,
was aber kein Zwang ist.
Dass dies nicht ausgenutzt wird, dafür sorgen MaMa im Duo.

Mattes
19.02.15, 21:51
Auch von mir ein Hallo, Herr Baur.

Für viele Gewässerwarte tut sich irgendwann eine Wand auf, die aus Fragen besteht, die er selber nicht mehr beantworten kann. Dafür ist das Feld für einen Laien zu breit und zu tief. Das, was sie nun tun, ist wohl eher eine Seltenheit. Dafür meinen Dank. :top: Ich denke, dass mit der Zeit sicher die eine oder andere Rückfrage aufkommt.

Ansonsten kann ich Alberts Aussage nur unterstreichen. Wir sind eine kleine Gruppe, die den gegenseitigen Respekt schätzt, sich aber auch gerne die Lockerheit des Du gönnt. Auch dies, nur ein freundliches Angebot.