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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Besatzablauf bei Bachforellenbrütlingen?



Der Siedler
26.01.11, 17:09
Moin zusammen,

um mal wieder von Fröschen und Androiden, ach Arachniden :;: , wegzukommen hätte ich mal Eure Meinung zum Besatzablauf von Forellenbrütlingen.

Wir besetzen dieses Jahr wieder Brütlinge und nun würde ich mit folgendem Plan an die Sache herangehen,
- Auswahl der Besatzregion, Nebenbäche und im Hauptstrom an flachen und versteckten, nahrungsreichen Regionen
- Besatz nicht mit dem Teesieb, eher mit der Gieskanne, aber ähnlich vorsichtig und verteilt, Teesiebe eigenen sich deshalb nicht, weil die Anzahl weit über 10.000 liegt, die Zeit ist dafür zu knapp und "Mänpauer" wird sich bei vielleicht 10 Personen einpendeln. Also Kannen kaufen.
- der Besatz soll an zwei Tagen sattfinden, vielleicht auch mehr

Jetzt noch eine Frage zur Temperatur, wie würdet Ihr das regeln?
In meiner Aquariumzeit habe ich die Tüte ins Wasser gelegt und erstmal vorsichtig versucht eine Angleichung zu erreichen. Anschliessend habe ich Wasser aus dem Becken eingelassen.
Aber, diese Tüten sind etwas größer, die Menge ist "etwas" größer und das Becken hat keine Scheiben.

Wie wichtig ist Euch die Temperaturangleichung? Wie würdet Ihr das machen? Habe ich etwas nicht beachtet? Gibt es Ratschläge?

Schöne Grüße

Hagen

Steini (verstorben am 06.09.2019)
26.01.11, 17:53
Die Forellen werden dir wohl in Beuteln übergeben werden.
Beutel erst einmal draußen lassen, oder im Auto Heizung aus und Fenster runter.:heimtückisch:
Der Bach hat sicherlich eine ähnliche Temperatur wie die Luft.
Beim Aquarium war da sicherlich der Unterschied großer.
Ok. Temperatur

Jetzt das Wasser schrittweise mit Wasser des Baches vermischen um den Fischchen die Möglichkeit zu geben, sich auch an andere Werte anzupassen. (PH, Härte u.s.w )
Aufteilen kannst Du jetzt, oder vorher.

Kannen?
Ich nutze den einfachen Eimer.
Öffnung gegen den Strom, ein Teil der Fische wird nun heraus gespült und das Wasser im Eimer weiter vermischt.
Vor allem kannst Du besser sehen was sich noch im Eimer befindet.

Zu den Bächen, je kleiner desto besser.
Möglichst in Bereichen in denen keine Laichgelegenheiten (Konkurrenz) sind,
sollten keine Forellen ablaichen genau dort.
Am besten dort wo keine weiteren Fische sind. (Fressfeinde)


Verstehe nur eins nicht !
10 Helfer und 2 Tage besetzen, mehr als 10 000 Brütlinge ?
Meinst Du Millionen ?:grins:

Gruß Steinbeißer

Thomas
26.01.11, 18:02
Temperatur wie Wasserwerte sind wichtig, zur Temperatur: Bachforellen sind sog. kaltstenotherm (also prinzipiell empfindlich gegenüber höheren Temperaturen).

Jeder von uns Luft-Lungenatmern würde auch umkippen, wenn wir kurzfristig zwischen unserem Wohnort und einem Himalaya-Gipfel hin- und hergebeamt würden (kleiner, etwas hinkender Vergleich).

Die Bachforellen lösen aber ihren Sauerstoffbedarf aus dem Wasser, das Lösungsverhalten ist temperaturabhängig, nicht vergessen.

Die wirklichen Praxis-Tipps werden sicher lotalota, Georg und Albert liefern können, darauf sollten wir einfach mal warten.

Albert
26.01.11, 19:15
Auf alle Fälle auf Fische aus Flusseinzugsgebiet achten.
Bei Dir wohl Weser. Wäre die Rheinlinie wenn ich richtig informiert bin.
Die genetische Varianz ist durch Besatz der Fische der Elbelinie in Donau-und Rheineinzugsgebiet eh gefärdet.
Die oberen Fischereibehörden achten da verstärkt drauf.

Ich besetze falls wie 2010 (sonst seit 2006 nicht mehr) durch Kormoraneinbrüche immer nach der Schneeschmelze im Gebirge so Ende April/ Anfang Mai mit 4 cm Bafos.
Wassertemperatur sollte höchstens 1- 2 Grad Beutel/Gewässer abweichen.
Also Zeit lassen.
Ebenso mit chem. Parametern. PH, KH und GH weichen im Aufzuchtwasser zum Gewässer bei mir schon ab.
Da Erfolgskontrolle schwierig, lieber mehr Eingewöhnungszeit gewähren, ehe sie in die Freiheit entlassen werden. Die Brütlinge halten das locker durch.
Auch die den Brütlingen zusagenden Stellen vorher zu definieren halte ich für unabdingbar.

Meine Meinung: Mehr Zeit zur Gewöhnung, mehr Erfolg.
Bedenken muss man auch, das die Beutel mit reinem O2 gefüllt werden. Deshalb auch in der Fischzucht informieren ob O2 bei den Brütlingen zur Aufzucht eingesetzt wird.

Der Siedler
26.01.11, 21:58
Schon mal vielen Dank für die Info`s

na, es sind ca 40 000 um genau zu sein. Die BaFos bekommen wir immer vom gleichen Züchter und der ist hier auch in der Region, die sind schon klasse, muss ich sagen.

Den Hintergrund mit dem reinen O² habe ich noch nicht verstanden :hmm:.... iss datt schädlich? Es löst sich doch eh im Wasser, z.T.

Schöne Grüße

Hagen

Lotalota (verstorben am 21.09.2019)
27.01.11, 03:07
Hallo,

Beim Transport in Behältern wird von den Züchtern teilweise mit Luft, teilweise mit Flaschen-Sauerstoff gefahren. Ist die Anreicherung mit reinem Sauerstoff zu hoch dosiert, gibt es Probleme wenn der Fisch ins Gewässer kommt. Durch den niedrigeren Gasdruck, löst sich der Sauerstoff aus dem Körper und bildet Blasen auf den Kiemen und ggf. unter der Haut.
Das entspricht im Prinzip der Taucherkrankheit

Dermaßen geschädigte Fische sind in der Regel verloren.
Ein Hinweis ist ein starkes Springen der Fische nach dem Besatz.

Beim Transport in Beuteln hingegen, muss es reiner Sauerstoff sein.

Solange der Fisch im Beutel ist, ist er relativ sicher. Der Beutel muss aber auf jeden Fall vor einer Aufheizung geschützt werden. Weiterhin muss er bewegt werden, damit genügend Sauerstoff übertritt. Wenn sie 1-2 Stunden liegen, kann es eng werden.
Die Beutel immer auf einer Decke ablegen, damit sich kein Fremdkörper einbohren kann. Ebenfalls mit einer Decke abdecken und abdunkeln, dann sind die Tiere ruhiger.

Zur Temperatur.
Sowohl bei Fischen aus der eigenen Erbrütung, als auch vom Züchter wird am Vortag die Wassertemperatur ermittelt und die Fische kommen schon vor temperiert an. 3 Grad bedingen nach meiner Auffassung bereits eine Anpassung.

Es ist immer problematischer in kälteres Wasser zu setzen als in wärmeres.

Ein kurzer Anpassung an die neun Wasserwerte ist aber in jedem Fall erforderlich.

Wenn der Fisch in Eimer kommt oder der Beutel geöffnet wird, muss ich umgehend und fortlaufend mit frischem Wasser nachfüllen.

Es wird sträflich unterschätzt, wie schnell diese kleinen Fische eine Wanne "leer atmen".

Sollte ich hier zu lange warten, fallen alle Brütlinge innerhalb 10 Sekunden um. Dann heißt es schnell zu handeln, aber auch überlegt. Wer die Tiere jetzt ausschüttet, büßt alle ein. Die Fischchen treiben ab und werden wegen des spezifischen Gewichts in der Regel in einem schlammigen Bereich abgelagert, wo sie verenden. Richtig ist es, die Wanne in die stärkste Strömung zu halten und das so lange, bis alle wieder stehen. Dabei wird ein Teil abgetrieben, aber nur so kann ich die Masse retten.

Die Behälter werden schrittweise mit Bachwasser nachgefüllt. Die Öffnung ist stromauf und ideal ist es wenn die Tiere von selbst ausschwimmen.

Eine Verteilung den Individuen ist im Gegensatz zum Lachs nicht erforderlich. Habe ich 300m geeignete Strecke, genügt es alle dafür vorgesehene Fische im oberen Teil grob zu verteilen. Die Verteilung erfolgt immer stromab.

Zum Besatzort.
Je kleiner der Bach, desto höher die Überlebensrate. Trotzdem ist genau zu prüfen, ob es Naturbrut gibt. Dann verbietet sich ein Besatz.

Ganz wichtig ist, dass ein Bachforellenbrütling "den Boden unter dem Bauch fühlt."

Gut geeignet sind flache Ufer n den Innenkurven.

Bachforellen bevorzugen immer Standplätze am Ufer. Lachse hingegen stehen in der Mitte, dass aber auch nicht freiwillig, sondern weil die BF sie vom Ufer wegbeißen.

In den meisten Fällen ist Besatz mit Brut im Mai die beste Variante. In der Zucht wird der Fisch nicht besser.

Wir habe in unserem Gewässer ohnehin den seltenen Glücksfall, dass wir noch einen Restbestand der autochthonen BF retten konnten. Durch Kooperation mit einem Züchter, können wir heute alle Vereine am Fluss mit diesem Fisch versorgen.
Wer sich beim Züchter eindecken muss bekommt häufig:
-nur Weibchen (weniger aggressiv = höhere Satzdichte im Teich)
- Fische mit Einkreuzungen von Browntrout u.Ä. = schnelleres Wachstum
-deutlich preiswerteren Fisch
-Fisch mit der falschen Laichzeit für das Zielgewässer.
Ist die Laichzeit zu früh, verhungert der Brütling, ist sie zu spät, haben andere Brütlinge alle guten Stellen besetzt.

lotalota

Steini (verstorben am 06.09.2019)
27.01.11, 10:34
Zur Verteilung im Gewässer.
Die Brütlinge brauchen nur grob verteilt werden, sie verteilen sich dann selber weiter.
Auch in der Natur schlüpfen ja viele Fische gemeinsam.
Viele Gewässer haben ja nur sehr wenige gute Laichplätze, an denen dann sehr viele Fische ablaichen.
Einer der Gründe warum ich mit 17 J zu den Gewässerwarten stieß, war ein beginnendes M-Forellen u. Lachs Projekt.
In den Bächen, jede Menge Stichlinge die den Brütlingen auflauern.
So dachte ich, die Stichlinge wurden dann aber oft schnell verdrängt und die Brütlinge nur wenig reduziert.
Wichtig ist aber das Aussetzen in den wirklich kleinen Bächen!
Die Laich-Forellen ereichen diese oft nur bei Hochwasser und laichen dann in Bereichen die für große Fische sonst nicht erreichbar sind.
Das gewährleistet der Brut optimalen Schutz vor Fressfeinden.
Letztendlich ist das ja der Grund warum Meeresfische überhaupt ins Landesinnere aufsteigen um sich fortzupflanzen.

@lotalota
Wenn Lachse und Forellen gemeinsam vorkommen, ist es so wie Du schreibst.
Da kommt aber noch etwas hin zu!
Die Lachse haben deutlich größere Brustflossen und können so auch die Rauschen besetzen, da sie weniger Energie verwenden müssen um sich in der Strömung zu halten.

@Thomas
So etwas hat ja auch eine natürliche Begründung und ist nicht nur zur Unterscheidung der Arten entstanden.:grins:
Ps:Danke für Nahrungsnetze, ja stimmt ist passender!
Den Begriff kannte ich aber nicht.:Klatsche:

Der Siedler
27.01.11, 13:21
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten,

demnach habe ich zumindest letztes Jahr gar nicht soviel falsch gemacht.

Heizung im Auto ist klar, die muss aus sein.
Die Zeit in der Tüte bis zum Besatz dauert maximal 1,5Std., darin enthalten Einladen, ausladen zum Wasser tragen.

Auf die Temperatur werde ich noch zusätzlich achten.

Ob der BEsatz an einer Stelle oder an vielen kleinen Stellen stattfindet, da scheiden sich schon immer die Geister. Jeder Grund auf beiden Seiten ist logisch nachvollziehbar.

Ich entscheide mich dafür, auf Grund der Zeit die nicht zu lang werden darf, mehrmals größere Gruppen, bis zu 100 St. abzusetzen.
In einer Tüte sind maximal 2000 St. Also ich werde nicht einen großen Haufen anlegen, aber nicht mit dem Teelöffel besetzen.

Wie, ob und wo welcher Fisch in den Nebenbächen ist kann ich nicht so schnell ermitteln, werde aber darauf achten.

Ich habe die Brut immer noch einen Weile beobachtet, bis zu 30min. Dabei konnte ich nur sehr wenig kollabierte oder Tote BF`s sehen... ist das schon aussreichend um zu erkennen, ob der Besatz erfolgreich eingebracht wurde?

Schöne Grüße
Hagen

Thomas
27.01.11, 15:29
@Thomas
So etwas hat ja auch eine natürliche Begründung und ist nicht nur zur Unterscheidung der Arten entstanden.:grins:
Ps:Danke für Nahrungsnetze, ja stimmt ist passender!
Den Begriff kannte ich aber nicht.:Klatsche:

Hallo Jungs,

ich bin seit heute morgen schon begeistert, wie qualitativ wertvoll die praxisrelevanten Tipps in diesem Thema waren. Große Klasse!

Autochthonie, (genetische) Stammherkunft, Platzwahl, generelles Handling, Verhalten in Notsituationen ... alles dabei.

Ich habe noch nie Bachforellenbrütlinge selbst besetzt (die Notwendigkeit ergibt sich ja in Berlin mangels geeigneter Gewässern auch nicht aus sich selbst heraus :;:) ... fühle mich nun aber jederzeit dazu imstande.

Steinbeißer, Du musst einem alten Berliner aber nochmal über die Straße helfen: in welchem Zusammenhang steht Dein o.g. Zitat über Nahrungsnetze, das habe ich auch nach dem Morgenkaffee (inkl. Weckwirkung) noch nicht verstanden. :;: