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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Meerforelle kontra Bachforelle



Martin
24.05.11, 13:34
Moin!

Ich bin Martin und Gewässerwart des Pachtverein Hamburger Angler in der Nordheide. Dort betreue ich die Seeve und die Schmale Aue.

Mir ist folgendes Aufgefallen: Wir haben sehr viele kleine Bachforellen zwischen 10 und 25 cm. Aber recht wenig Grosse. Eine umfassende E-Befischung mitte der 90er hat ergeben, dass auf ca 1.000 BFs nur 20 ÜBER 25 cm zu finden sind.

Nun habe ich folgende Vermutung: unsere BFs sind Meerforellen.

Das stützt sich auf eine weitere Beobachtung: die MF-Fänge nehmen stark zu während die BF-Fänge abnehmen.

Hat jemand diese oder ähnliche Beobachtungen gemacht?

Beste Grüße
Martin

Lotalota (verstorben am 21.09.2019)
25.05.11, 03:11
Hallo,

das ist keine Überraschung.

Du hast weder Bach-noch Meerforellen, sondern die Europäische Forelle.

Welche Form der Fisch annimmt hängt von den Umweltbedingungen ab. Die Form der Eltern ist dabei weit weniger wichtig. Beide Formen paaren auch miteinander. In der Eifelrur können MF nicht in Laichgebiete aufsteigen.

Alle MF Smolts entstammen dem Besatz mit einem einheimischen BF Stamm und sind diesem BF Stamm auf Grund der typischen Zeichnung eindeutig zuordnen.


LL

Albert
25.05.11, 20:17
Bin jetzt verwirrt.
Wird die europäische Forelle nicht als Sammelbegriff Salmo trutta von
Salmo trutta fario, Salmo trutta trutta und Salmo trutta lacustris genannt ?

Lotalota (verstorben am 21.09.2019)
26.05.11, 03:36
Hallo,

Salmo trutta ist die Artbezeichnung. Das andere sind lediglich Formen dieser Art.

Bis vor einigen Jahren, galten die 3 Formen als eigene Arten. Dann gab es ein Experiment an einem Nebenfluss des Rheins.

Dazu wurden 3 gleich große Gruppen von Forellen markiert und besetzt
1.) Meerforellen aus dem Fluss
2. Bachforellen aus dem Fluss
3. BF aus dem Schwarzwald. Diese lebten oberhalb eines Stausees und konnten seit ca. 100 Jahren nicht mehr abwandern.

Die Fische wurden in den Niederlanden wieder gefangen.

Dabei stellte man fest, dass der Anteil der smoltifizierten Tiere in allen 3 Gruppen gleich hoch war.

Das belegt
a.) die Europäische Forelle kann die Form wechseln BF-MF
b.) Für die Wahl der Form ist die Form der Eltern zweitrangig
c.) es sind nicht 3 Arten, denn kein Lebewesen kann die Art wechseln.


LL

dat_geit
30.05.11, 11:06
Ohne Diskussion in Bezug auf Henne und Ei sind natürlich die meisten Bachforellen bei einem Besatzgewässer mit Meerforellenbrut eigentlich die stationäre gewordenen Meerforellen.
Die sind dann halt ganz einfach zur Bachforelle geworden, wie es auch umgekehrt passieren kann.
Mindestens 1 Mal Monitoring im Jahr, wie ich es inzwischen in meinem Gewässerverantwortungsbereich durchführe, bringt da mehr Klarheit.
Möglichst viele Daten müssen dabei erhoben werden, um eine vernünftige Aussage treffen zu können.
An einem Wissensaustausch wäre ich sehr interessiert, da wir beide auch Elbanlieger sind.
Schau mal hier:
http://www.schriften.uni-kiel.de/Band%2044/Gehlhaar_44_107_126.pdf
Könnte dir vielleicht weiter helfen.


Gruss
Andreas

Martin
31.05.11, 18:43
Moin Andreas und Lotalota,

vielen Dank für eure Hinweise. Besonders bei Andreas möchte ich mich für das interessante PDF bedanken. Gerne können wir uns zu dem Thema austauschen. Ein Monitoring ist in Planung. Sowohl für die Habitate, die Wirbellosen (Nahrung), als auch für die Forellen selbst.

Ich würde jedoch nicht pauschalisieren, dass die BFs "einfach" zu Mfs geworden sind. Entweder haben Umwelteinflüsse, wie Nahrungsknappheit, sie dazu gezwungen, oder es gibt nicht genügend Platz in unseren Bächen für MFs UND BFs.
Die MFs werden/wurden als imageträchtige Wanderfische überall besonders gehegt und gepflegt. Hat das eventuell zu einem Missverhältnis von MF zu BF geführt? Fressen daher die vielen Jungfische (egal, ob MF- oder BF-Ausprägung) das Futter in den Bächen weg, so dass quasi alle Salmo trutta zu MFs werden müssen?

Hier ist ein weitere interessanter Artikel, besonders was den letzten Satz betrifft:
http://fliegenfischen.de/news/detail.php?objectID=2029&class=6

SG
Martin

Lotalota (verstorben am 21.09.2019)
01.06.11, 03:56
Hallo Martin,


Die BF sind sicher nicht einfach so zu MF geworden.

Ausschlaggebend sind letztendlich die Umweltbedingungen. Die Art hat sich ja in mehrere Formen aufgespalten, um den Lebensraum optimal zu nutzen. Der Bach alleine könnt so viele Individuen gar nicht ernähren. Daher geht ein Teil der Population eben ins Meer um die dortige Nahrung zu nutzen. Es liegt im vitalen Interesse der Art,eine optimale Verteilung sicher zu stellen. Daher haben sich sicher auch Mechanismen herausgebildet dies sicher zu stellen.

Wenn aus einer BF x BF Laichgrube stammende Tiere smoltifizieren, werden hier keine BF zu MF sondern Europäische Forellen entwickeln sich zu der Form Trutta Trutta. Wir müssen uns da von bisherigen Vorstellungen trennen.

Aus einer Laichgrube MF x MF schlüpfen keine MF sondern erst einmal nur Salmo trutta.

Wenn die Smoltifizierungsrate aber plötzlich ansteigt, besagt das nichts anderes, als dass die Art im Meer größere Chancen sieht.

Es gab Versuche, durch sehr dichten Besatz mit BF Brut in isolierte Seitenbäche die Rate der Smoltifizierung zu erhöhen. Man machte also im Grunde nichts anderes, als durch einen zu hohen Bestand die Bedingungen für das einzelne Tier zu verschlechtern.

Angeblich war der Effekt klar zu erkennen, sofern man ein vorzeitiges Abwandern der Brut unterbinden konnte.

LL

Steini (verstorben am 06.09.2019)
04.06.11, 14:28
Im Bodensee gab es auch einen Versuch mit markierten Bachforellen.
Es wurden Seeforellen.

Was ich aber nicht weiß, ändert sich bei der Umwandlung auch die Bezahnung des F.Beines ?
Wie ist es mit Meerforellen weit im Binnenland, oft als Beweis angesehen, dass der Aufstieg möglich ist.
Waren die wirklich immer auch bis ins Meer abgewandert?
Oder, haben sie unterwegs geeignete Lebensräume gefunden.
Ich denke, ohne Meerläuse ist das so sicher überhaupt nicht fest zu stellen.

dat_geit
05.06.11, 16:33
Ich gebe zu bedenken, dass ich die beiden Arten erst ab 2 Jahren wirklich anhand von Aussehen unterscheiden lassen.
Da kann in den 2 Jahren so einiges passieren.
Wir haben hier Bachforellen, die zum Fressen gern mal in den Fluss schwimmen, sich aber im frühen Sommer mit erreichen von Wassertemperaturen ab 15 Grad auch gern wieder in den schattigen Bach zurück ziehen.
In Bereichen, die durch umweltbedingte Veränderungen kaum noch eineen Abstieg möglich machten, fingen wir beim E-Fischen in den letzten Jahren wirklich große Bachforellen, die aber auch mögliche verbleibende Aufsteiger sein konnten.
Bernd Kuleisa machte die Verwirrung aus anglerischer Sicht komplett, als er von Bulltrout "Einfach auf Meerforellen" sprach, wobei es sich angeblich um Überspringer im Fluss handeln soll.
In der Tat fangen wir immer wieder auch spät Grönländer und angebliche Bachforellen im Fluss.
Gute Informationen mit wissenschaftlichen Hintergrund findet man in den tooen Bücher von North Guiding, der Küsten-Stragie Reihe und der Fluss-Strategie.
Beide Werke sind nicht nur aus anglerischer Sicht derzeit Stand der Dinge.

Andreas

Lotalota (verstorben am 21.09.2019)
06.06.11, 07:57
Im Bodensee gab es auch einen Versuch mit markierten Bachforellen.
Es wurden Seeforellen.

Was ich aber nicht weiß, ändert sich bei der Umwandlung auch die Bezahnung des F.Beines ?
Wie ist es mit Meerforellen weit im Binnenland, oft als Beweis angesehen, dass der Aufstieg möglich ist.
Waren die wirklich immer auch bis ins Meer abgewandert?
Oder, haben sie unterwegs geeignete Lebensräume gefunden.
Ich denke, ohne Meerläuse ist das so sicher überhaupt nicht fest zu stellen.

Hallo,

Am Pflugscharbein kann ich Salmo trutta und Salmo salar unterscheiden, nicht jedoch Formen einer Art.

Es bleibt nur die Färbung.

Das ist noch gut machbar bei Smolts und bei frisch aufgestiegenen Tieren. Diese sind silbern mit roter Fettflosse beim Smolt und silbern mit schwarzen Flecken beim Aufsteiger. Im Hochzeitskleid mit brauner Grundfärbung mit schwarzen Flecken wird es schon schwierig. MF sind Streuner vor dem Herrn und fast das ganze Jahr muss man mit ihnen rechnen.

Es gibt Forellen, welche aus der Rur in die Maas abwandern und in den dortigen riesigen Baggerseen als eine Art Seeforelle leben. Vom Aussehen ähneln diese "Flussforellen" den BF, aber haben fast keinen Rotanteil.
Es gibt sicher eine ganze Reihe von Misch- und Übergangsformen.

War der Fisch im Meer, so sind Seeläuse nur in Küstennähe ein Indiz, da sie innerhalb weniger Tage im Süßwasser abfallen.

Den Aufenthalt im Meer kann man aber sehr gut mit analytischen Methoden nachweisen. Dazu wird der Strontiumgehalt in den Schuppen gemessen.

LL