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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : See, Tiefenwasserumwälzung sinnvoll?



Der Siedler
07.09.11, 10:23
Hallo liebe Kollegen,

ich melde mich mal mit einer Idee zu folgendem Problem:

wir haben eine See, 9,6 ha, der an der tiefsten Stelle 5m misst (genauer Gewässervorstellung folgt noch). Er ist ca 40-60 Jahre alt, so genau kann das zur Zeit keiner sagen.

Angrenzend befindet sich die Werre, die durch Detmold fließt und 1998 bei einem Hochwasser auch das detmolder Klärwerk mitgenommen hat um dann den Damm zwischen See und Fluss zu zerbrechen. Der Damm wurde zwar wieder aufgeschüttet, ist aber nicht dicht.

Ca. 3L Wasser fließen pro Sekunde in den See und tragen natürlich auch nicht unwesentliche Mengen an Nährstoffen ein. Es kam wie es kommen musste, der See weißt heute einen sehr hohen Nährstoffgehalt auf, Blaualgen begegnen uns jeden Sommer. Vor 5 Wochen war der Sauerstoffwert unterhalb von 2-3m bei 0,55mg/l . Der Damm wird wohl nicht repariert werden, die Kassen der Stadt sind dafür zu leer. Satt dessen wurde/wird der See belüftet um schlimmeres zu vermeiden.

Eine Sache die ich für extrem kurzsichtig halte, das können die nun jedes Jahr machen. (Ach ja, der halbe See gehört der Stadt)

Mein Kollege, der Geländewart, hat sich in der Kur mit anderen Anglern unterhalten die ein ähnliches Problem hatten. Sie berichteten von einer Tiefenentwässerung.

Dabei wird das Wasser von der tiefsten Stelle des Sees abgeführt. Sprich also ein Rohr wird bis zur tiefsten Stelle des Sees und zum Auslauf gelegt. Das Nachkommende Wasser drückt nun gleichzeitig das Wasser aus der Tiefe heraus.

Was meint ihr, ist das eine Methode die auf lange Sicht Verbesserung bringen würde? Habt ihr schon Erfahrung damit gemacht?

Schöne Grüße

Hagen

Steini (verstorben am 06.09.2019)
07.09.11, 12:07
Sicher ein Weg dem Gewässer zu helfen.
An so etwas denke ich bei einem See bei uns auch schon länger.
Der ist Grundwasser gespeist und etwa ähnlich alt, nur und das ist sicher der Haken, würde dann im Auslauf kaum Sauerstoff vorhanden sein.

Albert
07.09.11, 12:32
Es könnte aber auch möglich sein, das der See in der Hauptsache durch Grundwasser gespeist wird.
Und dieses Grundwasser könnte belastet sein. Landwirtschaft, Klärwerksüberflutungen auf Ufervegetation und andere diffuse Quellen.
Ich sehe an meinem Kiessee von 10 ha im Winter bei Eisdecke mehrere frisch aufgeschüttete Kieshaufen von 2 bis 3 Meter Umfang unter mir , welches unterirdisches Grundwasser verursacht.
Hast Du mal den Phosphatgehalt im Wasser am undichten Damm gemessen?

Steini (verstorben am 06.09.2019)
07.09.11, 23:48
Hallo Hagen
ich hatte in der Mittagspause nicht viel Zeit, blöd so eine kurze Antwort zu geben.

Zu nächst einmal frage ich Dich, hat der See einen Ablauf an der Oberfläche, oder versickert das jetzt im Untergrund ?
Wenn er einen Überlauf besitzt ist es technisch leicht, wenn nicht liegt der Fall anders.

Da ich aber seit Jahren an etwas in dieser Richtung denke, schreibe ich zu nächst mal meine Gedanken hier nieder, kann sein Du oder ein Anderer kann sie nutzen.

Bei uns wird über einen Überlauf ganzjährig Wasser abgeleitet.
Am Grund aber gelangt stetig Grundwasser in den See.
Eine weiterer Zulauf ist nicht vorhanden.
Badesee, etwa Güteklasse 1,5

Nur könnte in der Tiefe (15 m) die Sauerstoffversorgung besser sein.
Zur Zeit ist es wohl so dass das Tiefenwasser O² Mangel aufweist, da eben Grundwasser keinen Sauerstoff einbringt, sondern oft noch zehrt.
Im Sommer wird es oben wärmer, so das der Sauerstoffgehalt sinkt, unten ist es zwar kälter aber da ist eben keine Sättigung vorhanden.
Für Forellen eine mögliche Todesfalle.

Wenn dort der Abfluss aus dem Tiefenwasser erfolgen würde könnte..
Positiv:
1. Die Sauerstoffversorgung in der Tiefe verbessert werden.
2. Schlamm würde sich auflösen oder ausgetragen werden.
(das altern des Gewässers würde vermindert werden)
3. Das Wasser würde schneller erwärmen und länger warm bleiben.
(Badebetrieb, Stoffwechsel des Gewässers)
4. Andere und mehr Arten würden vorkommen können.
5. Der Entwässerungsablauf würde im Sommer mit kühlem Wasser gepeist werden, so das mehr Sauerstoff aufgenommen werden kann.
Sicher noch mehr..

Negativ
1. Im Abfluss würde auf dem ersten Teilstück fast immer Sauerstoffmangel herrschen.
2. Nährstoffe aus dem See würden im Ablauf die Pflanzen explodieren lassen.
(eventuell würde der Abfluss verschlammen)
3. Wanderfische wie der Aal, aber auch Fischbrut könnten nicht mehr oder nur eingeschränkt wechseln.
Sicher auch noch mehr..

Wenn man es aber kombiniert sollte nichts dagegen sprechen.
Nur, bin ich zu doof meine Mitstreiter davon zu überzeugen.

Oder ist das, was ich denke völliger Schwachsinn?
Antwort erbeten.
Steini

Mattes
08.09.11, 22:54
N´abend Steini,

ließ dir dies mal durch: http://www.asvpetriheil.de/html/gewasser.html


Bei den installierten Zwangsbelüftungsanlagen handelt es sich um sogenannte Zirkulationsanlagen. Das Verfahren nutzt das Prinzip der Mammutpumpe, wonach eine aufsteigende Luftmenge das Seewasser in Zirkulation bringt. Dadurch wird sauerstoffarmes Tiefenwasser mit sauerstoffreichem Oberflächenwasser durchmischt. Die Energie dazu liefert eine Wasserpumpe, die Seewasser durch einen Injektor fördert. Die für die Zirkulation erforderliche Luftmenge wird im Injektor nach dem Strahlpumpenprinzip aus der Umgebungsluft angesogen und mit Wasser vermischt. Dieses Gemisch wird an der tiefsten Seestelle freigesetzt und die nun aufsteigende Luft setzt das Seewasser in Zirkulation. Dieses wird gleichzeitig belüftet, so daß die Zirkulationsenergie auch für die zusätzliche Anreicherung des Seewassers mit Luftsauerstoff genutzt wird. Zusammen mit dem natürlichen Sauerstoffeintrag am Seespiegel und mit der photosynthetischen Sauerstoffproduktion des Phytoplanktons (Algen) in den oberen Wasserschichten sowie durch Zirkulation und Durchmischung ergibt sich eine erhöhte Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers.

Sehr interessant. Ist zwar die Umkehrung deines Gedanken, aber beachtenswert.

Mattes
08.09.11, 23:01
Und hier mal ein Fund, der sich tatsächlich konkret u.a. mit der Tiefenwasserentnahme auseinandersetzt.

Punkt II.2.1.3

http://www.flueckigersee.de/wasser/seenrestaurierung.pdf

Steini (verstorben am 06.09.2019)
09.09.11, 00:40
N´abend Steini,

ließ dir dies mal durch: http://www.asvpetriheil.de/html/gewasser.html

Sehr interessant. Ist zwar die Umkehrung deines Gedanken, aber beachtenswert.

Kennt wohl jeder Aquarianer :grins:
Somit praktisch millionenfach erprobt.

Im Gartenteich bringen die Leute damit aber in kalten Wintern ihren Lieblingen den Tod.
Weil sie den Wasserkörper bis zum Grund auskühlen lassen, da ja die Schichtung zerstört wird.

Im See hilft es aber, den Transport von O² zum Grund und Nährstoffe zurück in die produktive Zone zu bringen.
Sauerstoff wird dabei zwar nicht zum Grund gebracht, aber das Tiefenwasser an die Oberfläche.
Folge, die Produktivität steigt und Schlamm kann zersetzt werden, wenn O²-haltiges Wasser wieder zum Grund nach fließt.
Viele Baggerseen sind nicht wirklich produktiv, da die Nährstoffe nicht wieder zurück in die produktive Zone gelangen.
So erkläre ich mir auch die oft starken Schwankungen der Fischmenge dieser Seen, wenn man sie über Jahrzehnte beobachtet.
Also ist es ein einfacher Weg, Tiefenwasser an die Oberfläche zu bringen, um die Abläufe zu stabilisieren oder zu unterstützen.
Kann aber sicher auch zu einer Algenblüte führen, wenn diese Stoffe nicht von Höheren Pflanzen umgesetzt werden.
Man sollte sich also vorher überlegen, was das Ziel und die Folge ist.
Kein See ist wie ein zweiter !!
Nicht immer wird es nur positive Folgen haben.
Aber ich bin nur Laie.
Gruß Steini

@Mattes
Bei mir liegt der Fall anders !
Da würde das einfließende Grundwasser gleich wieder ausgetragen werden.
Kann aber sein, dass dann über die Jahre leider die Produktivität sinkt, weil zu viele Nährstoffe ausgetragen würden.
Kann aber auch sein, dass sich die Sichttiefe verbessern würde, da die wegen des Moorwassers nicht sehr hoch ist.
Dann könnte sich die produktive Zone erweitern.
Von so klarem Wasser wie bei Euch kann ich nur träumen, aber umgekehrt ist kaum Eintrag von Nährstoffen vorhanden.
Also ein gänzlich anderer Fall als bei dem von Hagen.
Das ist das, was ich meine, mit kein See ist wie ein zweiter.

Der Siedler
09.09.11, 12:46
Moin Männer,

ich musste erstmal Zeit finden, Arbeit kann ja was schreckliches sein... man kommt zu nix :groggy:.

Ich habe angefangen den See einmal vorzustellen, da könnt Ihr Euch das schon mal anschauen.
Die anderen Beiträge führe ich mir heute Nacht dann zu Gemüte.... oh, die Zeit iss schon wieder um :Klatsche:.... verdammt.

Gruß
Hagen

Der Siedler
09.09.11, 13:32
N´abend Steini,

ließ dir dies mal durch: http://www.asvpetriheil.de/html/gewasser.html



Sehr interessant. Ist zwar die Umkehrung deines Gedanken, aber beachtenswert.

So etwas wird bei uns in etwa durchgeführt.
Der Anfangs- O²-Gehalt lag in 3m Tiefe 10:00Uhr morgens bei 0,55mg/l
Nach einer Woche knapp über 2mg/l.

Allerdings glaube ich, das diese Sache nur einen kurze Zeit die Situation mildert.

Gruß
Hagen

dat_geit
10.09.11, 09:00
So etwas wird bei uns in etwa durchgeführt.
Der Anfangs- O²-Gehalt lag in 3m Tiefe 10:00Uhr morgens bei 0,55mg/l
Nach einer Woche knapp über 2mg/l.

Allerdings glaube ich, das diese Sache nur einen kurze Zeit die Situation mildert.

Gruß
Hagen

Das wird genau der Punkt sei. Die Anlage müsste tatsächlich für einen Dauerbetrieb ausgelegt sein. Denn oftmals werden die Punkte ja nicht eliminiert oder verbessert, die zu diesem Sauerstoffmangel in der Tiefe geführt haben.

Thomas
11.09.11, 14:55
Hi Hagen,

bis hierhin habe ich erstmal interessiert mitgelesen, nun beteilige ich mich mal an dem Thema.

Tatsächlich hatten wir ein fast gleichlautendes Thema schon mal vor Jahren in einem anderen Forum ... dort betrieben ein Wasserbauingenieur und ich eine Art Brainstorming, um einen eutrophen Weiher (also ein kleineres Gewässer) nahe Karlsruhe zu restaurieren.

Also, vorab erstmal: es ist sinnvoll, sauerstoffarmes wie nährstoffreiches Tiefenwasser zur O2-Anreicherung wie Nährstoffentnahme an die Oberfläche zu befördern.

Wir sind seinerzeit, verkürzt, auf etwa folgendes Selbstbau-Bastel-System verfallen:

1) Pumpe(n) fördern eben jenes Tiefenwasser, umso besser die Förderhöhe, desto mehr weitere Möglichkeiten fallen an
2) Weiterleitung in ein künstliches Bachbett bzw. mehrere davon ... das dürfen schnöde halbe, in den Erdboden eingelassene Plastikrohre mit ein paar eingeklebten Kieseln sein. Dort wird über Verwirbelungen ganz einfach atmosphärischer Sauerstoff eingemischt.
3) Weiterleitung in Hochbeet-Pools ... dort wird das Wasser beruhigt, dort stehen Schilf u. ähnliche Pflanzen, die gerne vorhandene Nährstoffe aufnehmen und in ihren Sedimenten auch anaeroben Abbau gewährleisten
4) Ableitung über meinetwegen eine zweite künstliche Bachstrecke in ein Ufergebiet des Sees, gerne ebenfalls schilfbestanden
5) Mahd der Hochbeet-Pools etwa zweimal jährlich (Nährstoffentnahme aus dem Seewasser über pflanzliche Wachstumsprozesse)

Die Überlegungen folgen annähernd dem Prinzip von Sumpfbeetklärstufen und müssten örtlich nach Dimension des Gewässers und zur Verfügung stehenden Gegebenheiten (Gefälle etc.) angepasst werden.
Ein See von 10 ha ist ja was anderes als ein kleiner Weiher.

Das sind aber nur Dimensionsgrößen, die man zu berechnen hätte, also etwa:
- Gesamtwasservolumen des Sees
- jährlich ein- oder mehrfach auszutauschende, anoxische Wassermenge
- notwendiges Gefälle und prozentuale O2-Anreicherung über das künstliche Bachsystem
- prozentuale Nährstoffentnahme über das Hochbeet-System


Dazu noch weitere Kleinigkeiten wie Investitionskosten, jährliche Betriebskosten usw.
Wenn man einen Teil der Wasserförderung noch über Solar- oder Windkraft hinbekäme ... würde der grüne Daumen schon nach oben zeigen beim Versuch, dem Gewässer wieder auf die Beine zu helfen.

Ich habe da noch etliche andere Ideen, vielleicht sagst Du mir, Hagen, aber erstmal, ob sich euer Verein an solch ein Alternativprojekt überhaupt herantrauen würde.

Da ließen sich für alle Vereinsmitglieder locker Hunderte von Arbeitsstunden ableisten :;:

Der Siedler
13.09.11, 12:07
Moin werte Kollegen,

zunächst einmal muss ich mich bedanken und ein Lob aussprechen, ihr helft wirklich wo ihr könnt, klasse!! :top:

Ich habe mir nun dies PDF auch noch angetan und mit mir selbst verschiedene Möglichkeiten diskutiert. So einfach ist das alles nicht musste ich feststellen.
Als sinnvollste Methode sah ich bisher die externe Phosphor-Eliminattion, was also einer externen Filteranlage gleich käme. Dies in einen künstlichen Bachlauf zu integrieren wäre natürlich klasse... aber nicht realisierbar, weil die Geländestruckturen dies nicht zulassen werden. Der einzige Platz dafür wäre ein Auenbereich zwischen See und Fluß, ausgerechnet dieser liegt tiefer als der See und wird jährlich mindestens einmal durch die Werre überflutet. Durch den Eingriff in dieses Gebiet würde natürlich wieder ein wichtiger Lebensraum an der Werre Schaden nehmen. Abgesehen davon, müsste dieser Bereich jährlich mehrfach überarbeitet werden. Die Flut würde die Anlage zerstören können oder mit Sediment bedecken und vorrübergehend unbrauchbar machen.

Die Pacht läuft vielleicht noch 4 Jahre, ich bezweifle zur Zeit, das in dieser kurzen Zeit der See weitestgehend restauriert werden kann.
Die Tiefenentwässerung fand ich bisher auch keine schelchte Idee, nur, wenn die Nährstoffquellen nicht abgestellt werden können ist auch diese Lösung nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was die Bereitschaft der Mitglieder angeht, das wird schwierig. Sie sind es einfach nicht gewohnt sich um ihre Gewässer zu kümmern, sie lassen kümmern. Die Sitution ist da also eher schlecht. Abgesehen davon bin ich als Gewässerwart gerade ein ganz böser, denn auf dem Weg zu einer nachhaltigen Fischreibewirtschaftung, habe ich bis zur Bestandsaufnahmen Mitte Oktober jeden Fischbesatz ausgesetzt..... man spricht heimlich von "Absägen" ...
Die "Experten" des Vereins begründen "Wir sind ein Angelverein, wir wollen Fische fangen, also müssen Fische besetzt werden!" . Daran sieht man, die Weißheiten reichen nicht über die Eisrutenspitze hinaus... Wir haben über Jahrzehnte keine Fangergebnislisten ausgewertet, geschweige denn erhalten, jeder Besatz wurde nach verfügbarem Kapital und "gut Dünken" oder aus politischer Sicht durchgeführt, der Sinn für biologische Zusammenhänge fehlt fast überall ...Viele unserer heutigen Probleme sind als hausgemacht... sehr deprimierend das ganze. Und das schlimmste ist, wenn wir so weiter machen, kann ich schon würfeln, welcher See als nächstes dran ist.

Gruß Hagen

Albert
13.09.11, 19:36
Zu Deinen letzten Absatz Hagen:

Mir vertraute Zeilen. :Klatsche: