Darstellung freundlichst genehmigt durch Hr. Dr. Bernd Stemmer
Systematik
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Klasse: (Petromyzontida)
Ordnung: Neunaugenartige (Petromyzontiformes)
Familie: Neunaugen (Petromyzontidae)
Gattung: Lampetra
Art: Bachneunauge
Wissenschaftlicher Name: Lampetra planeri
Weitere Namen: Kleine Pricke, auch Zwergpricke oder auch kleines Flussneunauge.
Namen im Larvenstadium: Querder, Leinaal und Kieferwurm
Flossenformel:
Keine. Das Bachneunauge bildet lediglich zwei flossenartige Säume an Rücken und Schwanz. Diese stoßen aneinander. Dadurch sind sie von Flussneunaugen zu unterscheiden. Zudem besitzen nur die Weibchen einen Afterflossensaum. Ansonsten weist das Tier keine weiteren, paarigen Flossen auf.
Größe: 10-16 cm, selten bis 20 cm (bleistiftähnlich)
Gewicht: 15 - 25 Gramm, selten bis 40 Gramm
Alter: Maximal 7 Jahre
Beschreibung:
Bauchseitig weiß, gelblicher werdend zur Körperseite hin, dunkelgrau bis -grünlich auf dem Rücken. Der Körperbau ist wie beim Aal drehrund und zum Ende hin verjüngt er sich in einem abgeflachten, angedrücktem Ende. Der Kopf endet in einem runden Saugmaul. Das Bachneunauge ist ein Vertreter der Kieferlosen. Ein Stück hinter dem Auge beginnen auf gleicher Höhe die kreisrunden Kiemenöffnungen, die dann leicht nach unten angeordnet abfallen. Diese Anordnung der Nasenhöhle, des Auges und der 7 Kiemenöffnungen steht Pate bei der Namensgebung. Das Bachneunauge hat weder Schuppen noch Schwimmblase.
Als Rundmaul steht dem Bachneunauge kein Unterkiefer zur Verfügung. Der Oberkiefer ist breit und besitzt auf jeder Seite zwei kräftige Zähne. Anstelle des Unterkiefers hat es eine Kieferplatte, die wiederum über 5 - 9 rundliche Zähne verfügt, sowie eine Mundscheibe mit oberen und randständigen Lippenzähnen.
Die genannten Zähne des Bachneunauges sind keine echten Zähne. Es handelt sich vielmehr um Hornzähne.
In der Zeit nach dem Larvenstadium bis zur Rückbildung des Verdauungstraktes leben Bachneunaugen im Gegensatz zu Fluss- und Meerneunaugen nicht parasitär. Sie stellen die Nahrungsaufnahme gänzlich ein. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zu den anadromen Fluss- und Meerneunauge ist die Tatsache, dass das Bachneunauge als einzige Art in Deutschland stationär in den Bächen verbleibt und keine Wanderungen ins Meer unternimmt.
Eine Unterscheidung zwischen Fluss- und Bachneunauge ist erst im adulten Stadium möglich. Beide Larven sind sich morphologisch äußerst ähnlich.
Das Neunauge ist dämmerungs- bzw. nachtaktiv, gegen Gewässerversäuerung ist es unempfindlich.
Vorkommen/Verbreitung:
Besiedelt die Forellen- und Äschenregionen von kühlen Bächen und Flüssen, in Bergregionen gleichermaßen wie in den Niederungsflüssen, und kommt vorzugsweise in Mittel- und Nordeuropa vor. Es ist selten in klaren Seen und Gräben anzutreffen. Keine Verbreitung auf der iberischen Halbinsel, in Italien oder im nördlichen Skandinavien. Die östlich Ausdehnung ist begrenzt durch die Wolga.
Lebensweise & Fortpflanzung:
Die längste Zeit seines Daseins im Fluss wird kaum jemand Kenntnis vom Bachneunauge nehmen. Es geschieht im Verborgenen des sandigen Untergrunds in Reichweite des Detritus unserer Bäche. Dort lebt die blinde Larve 3 bis 5 Jahre. Sie benötigt ruhige Gewässerabschnitte und meidet steinige Untergründe ebenso wie die Mündungsbereiche der Flüsse.
Während ihrer Larvenzeit sind die Querder auf nicht verdichtete sandige, organisch versetzte Untergründe angewiesen. Nur wenn sie Kiesabschnitte, durchsetzt mit sandig-homogenen Untergründen vorfinden, herrschen optimale Bedingungen für eine Fortpflanzung.
Eines hat das Bachneunauge dennoch mit dem Aal gemeinsam. Der Umbau des Körpers, wenn es auf die Fortpflanzung zugeht.
Nach dem Dasein als Larve beginnt für das Bachneunauge die einjährige Zeit des Wandels. Geschlechtsorgane, Zähne und Augen werden zugunsten des Verdauungsorgans gebildet.
Als Rudel von 6 - 12 Tieren sieht man die Bachneunaugen zwischen März und Mai (selten Juni) mit dem Maul an Steinen festgesaugt, während sie gemeinsam ihre Laichgruben mit dem Schwanz in den Boden schlagen. Hierzu suchen sie im Frühjahr die Bachoberläufe auf und sind dabei plötzlich tagaktiv. Den "Ausbau" der Laichgrube übernehmen die Männchen. Hierfür legen sie eine Grube von 5-10 cm Tiefe und zirka 20 x 20 cm Ausmaß an, indem sie alle Steinchen mit dem Maul abtransportieren. Die entstandene Grube wird dann auch von mehreren Tieren gemeinsam benutzt. Das jeweils nachfolgende Paar sorgt durch Überschüttung mit Sand für den Schutz des Geleges der Vorgänger.
Die Paarung an sich findet durch eine Umklammerung des Weibchens durch das Männchen statt. Sie saugt sich dabei in der Regel an einem Stein fest, er saugt sich hingegen an ihr fest. Es werden dabei bis zu 1.500 Eier abgelegt (andere Quellen geben auch bis 2.000 Eier an). Spätestens einen Monat nach der Eiablage sterben beide Elternteile ab, was wiederum eine Erinnerung an den Aal wert ist.
Die sogenannten Querder (Larven) schlüpfen schon nach 18 - 21 Tagen (auch kürzer angegeben) und müssen die ersten Jahre ohne Augen und ohne Zähne auskommen. Sie ernähren sich, indem sie einen Unterschlupf im Detritus aufsuchen, nur ihr Maul herausschauen lassen und dies in die Strömung halten. Hierbei filtern sie vorbeiströmende Schwebteilchen oder Algen aus dem Wasser.
Evolutionär:
Bachneunaugen sind keine Fische, auch wenn sie denen juristisch zugeordnet werden. Sie haben in ihrer Entwicklung lediglich gemeinsame Vorfahren. Ihr Entwicklungsstand ist gegenüber den Knochenfischen eher als primitiv anzusehen.
Gefährdung:
Das Bachneunauge wurde in den Anhang der FFH-Richtlinie aufgenommen. Aufgrund der ordentlichen Flurbereinigung unserer "Kanalssysteme" wird die für die Fortpflanzung nötige Bodenstruktur gleich mit bereinigt. Für ein Überleben benötigt das Bachneunauge gleichmäßig verteilte Bodensubstrate in Form von Schlick- und Feinsediment. Die EU-WRRL würden ein Lichtblick sein, wenn nach den Renaturierungen auch die Flurbereinigung ausgesetzt wird. Querverbauungen, die andere Fischarten in ihrer Ausbreitung und Wanderung hindern, sind dem Bachneunauge ein Vorteil. Im abgelagerten Schlamm der Wehrbereiche findet man mitunter die höchsten Vorkommen.
Es gilt eine deutschlandweite, ganzjährige Schonzeit für das Bachneunauge.
Sonstige Infos:
- Das Bachneunauge war Fisch des Jahres 1988 und 2012
- Kulinarisch hatte das Neunauge früher einen hohen Stellenwert. Der Tatsache geschuldet, dass es kein Fisch ist, soll sein Geschmack eher an Fleisch erinnern. In Norddeutschland wurden Neunaugen noch im 19. Jahrhundert gebraten oder mariniert verspeist.
- Bilder von laichenden Neunaugen im Aquarium im Album unseres Users Taiga
Links:
Genetische Untersuchungen an heimischen Neunaugenarten von Dr. Miriam Blank
Artenschutzprojekt Bachneunauge der "Biologischen Station Paderborn"