Hallo Kollegen,

wie ihr sicher gemerkt habt, haben wir mit 'Fischbiologie und Fischbestimmung' ein neues Forum geschaffen, in dem allgemeine biologische Themen, fischbiologische Themen und die Schwierigkeiten der Artbestimmung bei Fischen (inkl. Praxis) abgehandelt werden sollen.

Gleichzeitig möchte ich als Biologe versuchen, euch die Naturwissenschaft Biologie näher zu bringen ... und auch das Handwerkszeug der Biologie oder der Biologen.
In loser Abfolge werde ich immer mal wieder einen Beitrag zu einem ausgewählten Themenkomplex schreiben, von dem ich hoffe, dass ich es schaffe
- allgemeinverständlich und nicht zu trocken zu formulieren und
- euch auch für den Themenkomplex zu interessieren

Im Einstiegsbeitrag möchte ich euch mit der Biologischen Systematik vertraut machen, besser: eine kurzgefasste Einführung dazu schreiben.

Die Biologische Systematik ist der Versuch der Bio-Wissenschaftler, Ordnung in die scheinbar unüberschaubare Artenvielfalt zu bringen und Arten einzigartig und unmissverständlich zu benennen.
In der Systematik soll(t)en sowohl evolutive Entwicklungen als auch Verwandtschaftsverhältnisse abgebildet und berücksichtigt werden.

Erste Konventionen der Benennung gehen auf das Wirken des schwedischen Naturforschers Carl Linnaeus (1707-1778), auch bekannt unter dem Namen Carl von Linné, zurück. Er führte die sog. binäre Nomenklatur ein.

Was heißt das? Nichts weiter als: eine biolog. Art wird durch einen lat. oder (alt)griech. Gattungsnamen und einen lat. oder (alt)griech. Artnamen gekennzeichnet
Cyprinus (Gattungsname) carpio (Artname) = Karpfen

Vollständig ausgeschrieben tritt noch der Erstbeschreiber sowie das Jahr der Erstbeschreibung hinzu:
Cyprinus carpio LINNÉ 1758

Warum Latein?
Latein war die Gelehrten- u. Wissenschaftssprache des Hochmittelalters. Ihre Verwendung war nicht nur ausgesprochen 'schick', sondern stellte auch sicher, dass sich spanische, französische, englische und 'deutsche' Naturgelehrte untereinander verständigen konnten.

Wenn wir über eine Gattung sprechen wollen (überwiegend 'bestückt' mit mehreren Arten), können wir folgendermaßen abkürzen:
Cyprinus spec. (species=Art), damit sind dann alle Arten der Gattung Cyprinus gemeint...

Jeder weiß, dass die Gattung Cyprinus in die übergeordnete Kategorie Cyprinidae (Karpfenfische) gehört: somit ist die Gattung Cyprinus eine wichtige, in diesem Fall namensgebende Gattung: die übergeordnete Familie der Karpfenfische ist nach der namensgebenden Gattung Cyprinus benannt.

Nun ist es bereits an der Zeit, ein sehr leicht erinnerliches Merkwort für die Kategorien der biologischen Systematik (auch als Taxonomie bezeichnet) einzuführen:

Stamm
Klasse
Ordnung
Familie
Gattung
Art
Unterart

= SKOFGAU

Bitte beachtet, dass wir uns beim Karpfenbeispiel von einer niedrigen (Gattung/Art) zu einer höheren (Familie) Kategorie bewegt haben, das Merkwort aber genau in die entgegengesetzte Richtung läuft: vom Hohen zum Niedrigen, sozusagen vom Allgemeinen zum Speziellen (der Arten und Unterarten)...

Von unten nach oben in immer höhere Kategorien zu gehen, heißt nichts weiter als: es lassen sich gemeinsame Merkmale finden, die die Zusammenfassung in einer höheren systematischen Kategorie (einem sog. Taxon) gerechtfertigt erscheinen lassen.
Beispiel: Reptilien, Amphibien, Knochenfische und Säugetiere haben eine Wirbelsäule gemeinsam, daher können sie in den Stamm Chordatiere (Chordata), Unterstamm Wirbeltiere (Vertebrata) zusammengefasst bzw. kategorisiert werden.

Die genannten Kategorien sind die wichtigsten innerhalb der biologischen Systematik ... mit Unterklassen, Unterordnungen und Über- wie Unterfamilien kann man beliebig weiter und immer genauer einordnen...
Aber das dient erst einmal nicht dem grundlegenden Verständnis der biologischen Systematik, das ich mit meinem Beitrag erzeugen möchte...

Das war erstmal die taxonomische Pflicht, jetzt wollen wir ein wenig taxonomische Kür betreiben und wählen dafür ein paar willkürliche Beispiele aus der Familie der Cyprinidae oder Karpfenfische:


alle Familie Cyprinidae

~~~
Gattung Cyprinus mit Artbeispiel
Cyprinus carpio (Karpfen)

Gattung Carassius mit Artenbeispielen
Carassius carassius (Karausche)
Carassius auratus gibelio (Giebel)
Carassius auratus auratus (Goldfisch)

Gattung Abramis mit Artenbeispielen
Abramis brama (Blei, Brachsen)
Abramis vimba ballerus (Zope, Pleinzen)
~~~

Was sehen wir bei dieser Aufführung mit einem Blick....? Einige Dinge:
- alle Gattungen und auch Arten sind relativ eng miteinander verwandt, denn sie gehören allesamt in die Familie der Karpfenfische
- eine Karausche ist enger mit Giebel oder Goldfisch verwandt als z.B. mit einem Karpfen oder einem Blei (s. Gattungsnamen)
- Giebel und Goldfisch sind untereinander enger verwandt als mit der Karausche (gleiche Gattungs- u. Artnamen)
- Giebel und Goldfisch sind Unterarten der namensgebenden Art Carassius auratus (beide: dreiteiliger wissenschaftlicher Name)

Aus dem letztgenannten Aufzählungspunkt ersehen wir ebenfalls, dass der Homo sapiens sapiens eine Unterart des Homo sapiens ist ... eben die Unterart, die für sich den Werkzeuggebrauch erschlossen hat. Das aber nur nebenher....

Was können wir aus dem Beispiel nicht ersehen?
Ob z.B. ein Karpfen enger mit einem Blei als einer Karausche verwandt ist...darüber gibt uns die Nomenklatur keine Auskunft, dafür brauchen wir Stammbäume (sog. Kladogramme, ein Handwerkszeug der phylogenetischen Systematik). Phylogenie bedeutet Stammesgeschichte...und widmet sich in noch stärkerem Maße der Verwandtschaftsenge, die '(Stamm)Formen' aus allen aufgeführten Kategorien untereinander innehaben können.


Für alle diejenigen, die bisher noch nicht die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen und noch weitergehendes Interesse haben, folgen zum Ende noch 3 Links zur weiteren Vertiefung/Veranschaulichung:


Die taxonomische Einordnung des Haussperlings (des Spatzen)

und:

Die Systematik der Knochenfische

sowie zum Beispiel aus der Familie der Cyprinidae (Karpfenfische):

Die systematische Einordnung des Goldfisches